Aufruf zu aktivem Handeln
„Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“
Unter diesem Motto stand die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). Rund 5.000 internationale Gäste aus den 352 Mitgliedskirchen kamen dazu vom 31. August bis zum 8. September nach Karlsruhe. Eine ÖRK-Vollversammlung ist die umfassendste Zusammenkunft von Christinnen und Christen weltweit, sie tagte erstmals in Deutschland.
Aus der Evangelisch-reformierte Kirche war Anneke Bargheer eine der Delegierten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Vollversammlung. Die 33-Jährige ist Mitglied des Ausschusses für Partnerschaft und Mission der Evangelisch-reformierten Kirche. Sie arbeitete viele Jahre als Referentin der Norddeutschen Mission in Bremen und ist jetzt für das Rote Kreuz in Bremen tätig. TIna Yzer, Theologiestudentin, und Carolin Zierath, Pastorin in Gildehaus, sowie Lennard Landgraf aus dem Jugendausschuss gehörten zu einer kleinen Delegation aus der Evangelisch-reformierten Kirche, die auch nach Karlsruhe gereist war.
Foto Startseite: Tina Yzer, Lennard Landgraf, Carolin Zierath und Anneke Bargheer bei der Vollversammlung in Karlsruhe (Foto: privat)
Ein Rückblick - Fragen an Anneke Bargheer
Neun Tage haben Sie als Delegierte der EKD an der Vollversammlung in Karlsruhe teilgenommen. Was nehmen Sie davon persönlich mit nach Hause – und was als Delegierte einer Kirche?
Persönlich nehme ich einen riesigen Berg an Eindrücken mit, den ich erstmal nach und nach verarbeiten muss. Es ist unheimlich faszinierend, wie so viele Menschen aus so unterschiedlichen Kontexten und mit ganz vielfältigen Erfahrungen und Geschichten im Gepäck an einem Ort zusammenkommen und sich das Ganze doch wie ein großes Familientreffen anfühlt. Alle Menschen sind unheimlich nett und offen und man kommt ganz einfach ins Gespräch. Dieses Gefühl der Gemeinschaft und ein kleiner Teil von etwas Größerem zu sein, wird mich sicher weiterhin begleiten.
Als Delegierte nehme ich viele Impulse und Themen mit und damit verbunden auch die Frage, wie sich diese Tage in Karlsruhe und die Arbeit des ÖRK in meine Kirche und auch in die Gemeinden übertragen lassen.
Anneke Bargheer: Was können die Kirchen tun, um mehr und attraktivere Beteiligungsmöglichkeiten für die Jugend zu schaffen?
Ein großes Thema dabei ist die Beteiligung junger Menschen. Erneut wurde die angestrebte Quote, dass 25 Prozent der Delegierten der Versammlung, junge Menschen sein sollen, nicht erreicht. Diese mangelhafte Repräsentation haben die jungen Erwachsenen lautstark als Missstand bemängelt. Als Frage bleibt: Was können die Kirchen tun, um mehr und attraktivere Beteiligungsmöglichkeiten für die Jugend zu schaffen und so einen Wandel einzuleiten, der die Kirche nur bereichern kann.
Die Klimakrise steht als Querschnittsthema für viele andere Konfliktfelder in aller Welt ist. Sie ist mit großer Vehemenz und als Aufruf zu einem bestimmten und aktiven Handeln immer wieder durchgedrungen.
Aus manchen persönlichen Begegnungen nehme ich auch die Frage für meine Kirche mit, wie wir inklusiver werden können und zum Safer Space BIPoC und für die LGBTQIA+-Community. (Abkürzungen Black, Indigenous and People of Color“ und für „lesbian, gay, bisexual, transgender/transsexual, queer/questioning, intersex, asexual“) Der ÖRK etwa strebt danach, Safe Space für alle zu sein. Diesen Diskurs würde ich mir auch für meine Kirche wünschen.
Alle Themen, die ich mitnehme, verbinden das Drängen nach einem proaktiveren Handeln. Wie können also ganz praktische Veränderungen aus der 11. Vollversammlung hervorgehen.
Die Tage in Karlsruhe wurden stets von einem Morning-Prayer und einem Evening-Prayer umrahmt, wie haben Sie diese erlebt?
Die Morning Prayer waren ein ganz wunderbarer Start in den Tag. Es wurde viel gesungen, es hat die Gemeinschaft gestärkt und ich konnte beschwingt in den Tag starten. Zudem konnte man auch schon einen ersten Impuls für das Tagesthema mitnehmen.
Die Evening Prayer waren von verschiedenen Konfessionen vorbereitet. Dadurch waren sie sehr unterschiedlich und man konnte eintauchen in Liturgien, mit denen man sonst weniger Kontakt hat. Zu manchen konnte ich einen besseren Zugang finden als zu anderen, aber spannend war es allemal.
Tina Yzer und Carolin Zierath haben in Karlsruhe die Sozialarbeiterin Betty Mutundu aus Ruanda kennengelernt. Mutundu reiste allein, auf eigene Faust und Kosten zur ÖRK-Vollversammlung. Dort stand sie zunächst ohne Hotelzimmer da. Und dennoch ist sie ohne Angst, mit Freude durch Karlsruhe gegangen, berichtet Tina Yzer. Mutundus Aussage „Geld ist egal, du kannst es nicht haben oder haben, es vergeht, es bringt dich nicht weiter. Aber Gott schenkt dir Hoffnung und Vertrauen, das brauchst du im Leben", bleibe ihr sehr in Erinnerung.
Haben Sie in Karlsruhe eine besondere Begegnung gehabt? Welche war das?
Für mich war es vor allem die Fülle der vielen kleinen Begegnungen. Ich habe im Gespräch mit einer Übersetzerin, für die Karlsruhe bereits die siebte Vollversammlung ist, erfahren, wie sie aus einer ganz anderen Perspektive die Entwicklungen und die Vielfalt der Stimmen über viele Jahrzehnte begleitet hat. Catalina aus Kolumbien hatte ich im Vorfeld der Karlsruher Versammlung in Videokonferenzen kennengelernt. Als ich dann auf einmal jemand meinen Namen hören rief und Catalina vor mir stand, war das ganz verrückt. Die Begegnung im digitalen Raum war auf einmal ganz konkret.
13. September 2022
Interview: Ulf Preuß
Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft aus 352 Mitgliedskirchen mit insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Christen/innen. ÖRK-Mitgliedskirchen finden sich in allen Regionen der Welt. Dazu zählen die meisten großen Kirchen der evangelischen Traditionen (Lutheraner, Reformierte, Methodisten, Baptisten etc.), die anglikanischen Kirchen, die altkatholischen Kirchen und die meisten orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen. Die römisch-katholische Kirche, größte Konfession innerhalb des Christentums, gehört dem ÖRK nicht an. Sie arbeitet aber in mehreren Bereichen mit dem ÖRK zusammen.
Webseite zur Vollversammlung
Webseite des ÖRK